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10. Februar 2016 · Aktuelles

Unerreichbare Normen und bedingungslose Anpassung

Die Sendung Germany’s Next Topmodel breitet der Essstörung den roten Teppich aus

Obwohl die Einschaltquoten der Sendung Germany’s Next Topmodel  mittlerweile eine sinkende Tendenz aufweisen, ist die Beliebtheit der Casting-Show bei den jungen Mädchen ungebrochen. Das ist bedenklich, umso mehr als es laut einer Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) gerade in dieser Altersgruppe einen bedeutsamen Unterschied zwischen den Topmodel-Seherinnen und den Nicht-Seherinnen gibt: Obwohl nur 13% der Mädchen zwischen 6 und 19 Jahren tatsächlich als übergewichtig einzustufen sind, hatten fast drei Viertel (73%) der 13-jährigen Topmodel-Seherinnen schon einmal den Gedanken, zu dick zu sein. Bei den gleichaltrigen Nicht-Seherinnen sind es nur 45%. Besonders drastisch wird dieser Unterschied bei den Mädchen, die ohnehin schon untergewichtig sind: Wenn diese Topmodel sehen, berichten sie  5-mal häufiger den Gedanken, dick zu sein, als jene untergewichtigen Mädchen, die niemals Topmodel sehen. Dies bestätigt die besondere Gefährdung von Mädchen mit der Prädisposition für Essstörungen.

Eine aktuelle Befragen des IZI an 241 Menschen, die sich wegen einer Essstörung in Behandlung befanden, ergab, dass rund ein Drittel der Befragten, vor allem jüngere Mädchen, angaben, die Sendung habe einen „sehr starken Einfluss“ auf ihre eigene Essstörung gehabt. Ein weiteres Drittel sah zumindest einen „leichten Einfluss“. 85% der Befragten stimmten der Aussage zu, dass GNTM Essstörungen verstärken kann.

Tatsächlich breitet das Konzept der Sendung der Essstörung geradezu den roten Teppich aus: Sehr schlanke, überdurchschnittlich große  Kandidatinnen werden nicht nur zum Ideal von Schönheit und Erfolg hochstilisiert, sondern geraten zur Norm, an der die zumeist jugendlichen Zuschauerinnen sich messen. Die Mädchen vergleichen sich mit den Kandidatinnen und übersehen dabei völlig, dass es sich hier um absolute Ausnahmeerscheinungen handelt, was Figur und Gesichtszüge angeht. Nur ein winzig kleiner Prozentsatz aller jungen Frauen erfüllt die Vorgaben der Sendung. Wie viele davon sie nur erfüllen, weil sie ihre Nahrungszufuhr massiv einschränken, wissen wir nicht.

Hinzu kommt, dass die Kandidatinnen bei den so genannten „Challenges“ eine ganz besondere Form der Selbstdisziplin an den Tag legen müssen: Empfindungen wie Müdigkeit und Kälte oder Gefühle wie Scham, Ekel, Wut oder Angst sind tabu. Die Kandidatinnen dürfen nur Begeisterung zeigen. Bedingungslose Anpassung an die Erwartungen der Jury und Unterdrückung der eigenen Körper- und Gefühlswahrnehmung sind gefragt, wenn eine Kandidatin erfolgreich sein will.

Nun sind Sendungen wie GNTM sicherlich nicht allein maßgeblich für die Entstehung einer Essstörung. Doch wenn eine junge Frau ohnehin schon Risikofaktoren für die Entwicklung einer Essstörung mitbringt, können die Konfrontation mit einem absolut unrealistischen und für die allermeisten Menschen völlig unerreichbaren Schönheitsideal und die Idealisierung der bedingungslosen Anpassung und Distanzierung von den eigenen Gefühlen der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Die Betroffenen selbst fordern als Konsequenzen eine Erweiterung des Körperbildes in den Medien, die Einführung eines Mindest-BMI für Models und Schauspielerinnen sowie die Abschaffung von „Size Zero“. Diesen Forderungen können wir uns nur von ganzem Herzen anschließen.

 

Quellen:

Götz, M. & Mendel, C. (2015). Der Gedanke, „zu dick zu sein“, und Germany’s Next Topmodel. Televizion. Zielgruppe Jugend, 28/2015/1, 54-57.

Götz, M., Mendel, C. & Malewski, S. (2015). „Dafür muss ich nur noch abnehmen“. Televizion, Zielgruppe Jugend, 28/2015/1, 61-67.

Die Zeitschrift Televizion kann über das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) kostenlos angefordert werden. Weitere Informationen und eine Zusammenfassung der Ergebnisse: Dr. Maya Götz, Leiterin des IZI, Tel.: 089/59 00 422 64, Internet: www.izi.de, E-Mail: Maya.Goetz@br.de

Bildnachweis: istockphoto.com/Peter Hermus

Über die Autorin

Dr. Karin Lachenmeir ist Psychologische Psychotherapeutin und seit 2002 im TCE tätig, seit 2008 als Leiterin der Einrichtung. Sie ist approbierte Verhaltenstherapeutin und hat Weiterbildungen in Körpertherapie und Systemischer Beratung absolviert. Seit 2011 ist sie zudem als Dozentin und Supervisorin für verschiedene Münchner Weiterbildungsinstitute tätig. Am TCE hat sie die Verantwortung für alle personellen, organisatorischen und fachlichen Fragen. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten lesend oder schreibend, auf ausgedehnten Spaziergängen, im Kino, im Theater oder auf Reisen.